Bürgersprechstunde
Artikel vom 26.03.2013, basierend auf einer
Pressemitteilung des Niedersächsischen Forstamtes Nienburg vom 14.03.2013
Am 21. März 2013 war der "Tag des Waldes". An diesem Tag starteten die Niedersächsischen Landesforsten unter dem Motto "Gemeinsam für die Zukunft" mit vielen Mitmach-Pflanzaktionen für jedermann in das Jubiläumsjahr "300 Jahre Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft". Das Forstamt Nienburg mit seinem "Waldpädagogikzentrum (WPZ) Hahnhorst" und die Gemeinde Linsburg - unterstützt durch das Unternehmen VILSA-BRUNNEN - hatten für diesen Tag eine besondere Veranstaltung in der Revierförsterei Grinderwald geplant.
Dort sollte nicht nur mit dem Pflanzen kleiner Stieleichen ein Wald für kommende Generationen begründet werden, sondern auch der Blick zurückgehen in ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte. Eine Geschichte, die auch eine Gruppe junger russischer Schüler interessiert hat, die sich im Rahmen eines internationalen Jugendwaldeinsatzes im WPZ aufgehalten hatte und die Pflanzaktion im Grinderwald begleitete.
Denn mitten im Grinderwald, unweit des bekannten Waldspielplatzes, liegt im Schatten 100-jähriger Buchen und Kiefern der sogenannte Russenfriedhof, eine kleine, von einer lichten Hainbuchenhecke umrandete Begräbnisstätte für mehr als 50 russische Kriegsgefangene aus dem 2. Weltkrieg. "Die Gefangenen waren in umliegenden Lagern untergebracht und mussten unter leidvollen Bedingungen schwere Waldarbeit – unter anderem auch im Grinderwald – verrichten", so Jörg Brüning, Leiter der Revierförsterei Grinderwald. Durch mangelnde Ernährung, Krankheit und die unwürdigen Lagerbedingungen erlebten viele dieser oft sehr jungen Kriegsgefangenen den Tag der Befreiung nicht. "Es ist mir ein persönliches Anliegen, diesen "Tag des Waldes" nicht nur für eine Pflanzaktion zu nutzen, sondern gleichzeitig der Menschen zu gedenken, die in diesem Wald – fernab der Heimat – ihre letzte Ruhe gefunden haben."
Für den Linsburger Bürgermeister Jürgen Leseberg ist der Russenfriedhof ein wichtiger Teil der Geschichte seiner Gemeinde. "Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft", zitierte Leseberg den Philosophen Wilhelm von Humboldt und ergänzt: "Diese Veranstaltung am 21. März war für mich Anstoß, mich mit dem Thema "Kriegsgefangene" intensiv zu beschäftigen und die wenigen noch lebenden Zeitzeugen in Linsburg zu befragen, um ihre Erlebnisse und Eindrücke für künftige Generationen festzuhalten". Er verwies auf eine Holzbank am Rande des Friedhofes, die davon zeugt, dass die zuständige Samtgemeinde Steimbke bei der Pflege der Ruhestätte auch durch eine Gruppe Linsburger Bürger aktiv unterstützt wird. "Auf das ehrenamtliche Engagement dieser Bürger kann man stolz sein", so Leseberg abschließend. Lesen Sie unten seine Gedenk- und Mahnansprache.
Förster Marcus Hoffmann, Leiter des WPZ Hahnhorst und mit der Organisation der "Mitmach-Pflanzaktion" betraut, hat seine russischen Gäste auf diesen besonderen Tag vorbereitet. "Hans-Jürgen Sonnenberg aus Langendamm, der die Geschichte der Kriegsgefangenenlager in Niedersachsen recherchiert und aufgeschrieben hat, hatte zu dem Thema zwei Tage vor der Veranstaltung im WPZ einen Vortrag gehalten" erzählte Hoffmann und freute sich auf die Teilnahme mehrerer Schülerinnen und Schüler des Marion-Dönhoff-Gymnasiums, die sich auch bereit erklärt hatten - trotz Ferienzeit - bei der Pflanzaktion mitzuhelfen.
Die russischen und deutschen jungen Leute waren mit Elan und Engagement bei der Pflanzaktion dabei. Dieses wurde von Hubert Wichmann vom Forstamt Nienburg, der die Aktion vor Ort leitete, ausdrücklich und dankbar festgestellt. Als "Dankeschön" spendierten Gemeinde, Landesforsten und Vilsa allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern zum Abschluss kühle Getränke und Bratwurst vom Grill.
Liebe jugendliche Gäste aus Russland, meine Damen und Herren,
nachdem wir gemeinsam den Tag des Baumes mit einer Pflanzaktion begonnen haben, stehen wir Russen und Deutsche jetzt hier gemeinsam am Russenfriedhof. Wir wollen uns für einige Minuten an die jungen Männer erinnern, die hier fern Ihrer Heimat begraben liegen.
Hier ruhen über 60 zerstörte Lebensläufe von jungen Menschen, die keine Chance hatten, die Zukunft zu erleben. Nur zu oft sind die Hinterbliebenen und Nachgeborenen noch nicht einmal in Kenntnis darüber, wo und wann ihre Liebsten starben und begraben sind.
Mit zunehmendem Zeitabstand zum Zweiten Weltkrieg, Gott sei Dank haben wir 70 Jahre Frieden, sind die meisten Zeitzeugen verstorben. Die Gedenkarbeit an die grauenvolle Zeit des Nationalsozialismus fällt deshalb in die Hände von uns danach Geborenen.
Wir brauchen die Erinnerung an den Nationalsozialismus und seiner Verbrechen nicht, um zu begreifen, daß man Menschen nicht diskriminiert, für lebensunwert erklärt und tötet. Wir brauchen diese Erinnerung aber, um nie zu vergessen, wohin Diktatur, Rassismus und Überlegenheitswahn führen.
Die Erinnerung an den Terror und an millionenfaches Sterben und Leid wach zu halten, ist notwendig. In der Gegenwart auf die Geschichte schauen, heißt, jetzt für die Zukunft lernen und, das liegt mir besonders am Herzen, die jüngere Generation mit der Vergangenheit zu konfrontieren.
Umso wichtiger ist es, daß wir uns heute hier zusammen mit jungen Frauen und Männern aus Russland gemeinsam auf dieser russisch-polnischen Gedenkstätte erinnern. Wir haben heute gemeinsam junge Bäume für die Zukunft des Grinderwaldes gepflanzt. Die Toten dieses Friedhofes haben auch im Grinderwald gearbeitet und zwar unter brutalen Verhältnissen, jedoch ohne jegliche Perspektive für die Zukunft.
Der ärgste Feind des Friedens ist das Vergessen. Halten wir daher das Andenken der Opfer in Ehren! Hören wir auf ihr Vermächtnis!
Zum Schluß bitte ich sie um eine Minute der Stille zum Gedenken der hier in fremder Erde ruhenden Russen und Polen.
Die lokale Presse hat über diese besondere Veranstaltung berichtet:
Die Russische Soldatengedenkstätte hat eine Hauptseite im Kapitel "Öffentliche Einrichtungen" Ansehen