Bürgersprechstunde
Der Zehnte wurde vom nachgezogenen Vieh und von den Feldfrüchten erhoben, doch gab es über seine Höhe und den Zeitpunkt, wann er gezogen werden durfte, gelegentlich auch Streit. So ist über den Linsburger Zehnten noch eine Aussage zweier Zeugen bruchstückhaft erhalten, die aber leider undatiert ist:
Art. 6
wahr und Zeuge wiße, daß von den ferchen (Ferkeln), wenn sie 6 wochen alt gewesen, der Zehnte gezogen, oder 12 mg (Mariengroschen) dafor entrichtet worden.
Art. 7
Niemals aber der Zehnte von den ferchen zumahl als Michaeli, Lichtmeß und pfingsten gefordert sey.
Art. 8
Wahr daß Zeuge solches von 20, 30, 40, 50 und mehr Jahren wiße.
Art. 9
auch also und anderes von seinen Vorfahren nicht gehört habe..."
Der Zehnte war vom Grundherrn oft verpachtet, denn so waren die Einnahmen für den Grundherrn immer gleich und kalkulierbar, während der Zehntpächter durch höhere oder niedrigere Ernten Einnahmeschwankungen hatte. Um 1810 hatte der damalige Oberförster von Linsburg hier im Ort den Zehnten gepachtet, doch er lag mit den Bauern im Streit um die Art und Weise und den Zeitpunkt der Ziehung des Kornzehnten.
Die Bauern ließen nun bei dem Advokaten Wermuth in Neustadt ein Gutachten er stellen, darin sagt dieser sinngemäß:
„Der Zehntpächter hat unter den Stiegen nicht die Wahl, kann sich also nicht die besten Stiegen aussuchen, sondern er muß von jeder Stiege zwei Garben nehmen. Auch hat er sich mit der Ziehung des Zehnten zu beeilen, damit die Zehntpflichtigen ihr Korn einfahren können, sonst können sie einfach von jeder Stiege zwei Garben auf dem Felde liegen lassen..."
Aufgeführt sind in diesem Gutachten auch die 1810 noch zehntpflichtigen Hofstellen, es sind dieses die Nr. 1 bis 7 und 9 bis 20. Die Hofstellen Nr. 8 und 23 hatten scheinbar in der Zeit der französischen Besetzung den Zehnten schon abgelöst. Die anderen Höfe konnten erst nach der Verabschiedung der hannoverschen Ablöseordnung am 10. November 1831 damit beginnen, durch die Zahlung der 25fachen Summe den Zehnten abzulösen.
Auch der Rottzehnte und die Hand- und Spanndienste für den Wölper Amtshof konnten jetzt abgelöst werden. In Linsburg geschah dieses 1840, denn nun konnten dafür Kredite der neu gegründeten Landeskreditanstalt in Anspruch genommen werden. So waren die Bauern nun endlich Eigentümer des von ihnen bewirtschafteten Grund und Bodens geworden. Beim Abschluß von Spezialteilung und Verkopplung 1863 ist die Zahl der Höfe schon erheblich gestiegen, so enthält die Aufstellung 3 Vollmeierhöfe, 1 Zweidrittelmeier, 2 Halbmeier, 1 Eindrittelmeier, 8 Köthner, 10 Brinksitzer, 28 Anbauerstellen und einen Abbauern. Der Meierhof Dettmer mit der Haus-Nr.5, heute Müller, Grund 5, hatte Flächen für die neue Schloßanlage hergeben müssen und war darum von den Meiern zu den Köthnern versetzt worden. Die Höfeklassen spielten nun aber kaum noch eine Rolle und nach dem 1. Weltkrieg verschwanden diese Bezeichnungen allmählich ganz.
Ziel von Spezialteilung und Verkopplung war die Aufteilung der bisherigen Gemeinschaftsflächen (Allmende) und die Zusammenlegung der kleinen Äcker und damit die Schaffung überlebensfähiger Höfe mit größeren, zusammenhängenden Schlägen. So bekamen die großen Höfe relativ viel Fläche zugeteilt und die kleinen entsprechend weniger. Verlierer waren aber die Häuslinge, dieses waren auf den Höfen beschäftigte und in Nebenhäusern der Höfe wohnende Knechte mit ihren Familien. Sie hatten auch einen kleinen Viehbestand und durften ihn bisher auf der Allmende mithüten lassen, aber nun war das gemeinsame Viehhüten vorbei.
Die Häuslinge hatten aber keine eigenen Flächen abbekommen, so mußten sie ihr Vieh jetzt abschaffen oder bei ihrem Arbeitgeber mitweiden lassen, was ihre Abhängigkeit noch erhöhte. Den Handwerksbetrieben erging es genauso, denn auch sie hatten einen kleinen Viehbestand. Ein Ausweg war die Anpachtung von Flächen von den großen Höfen, denn diese schafften die Urbarmachung der ihnen nun zugeteilten ehemaligen Allmende auch garnicht. Sie waren daher froh, wenn ihnen diese mühselige Arbeit abgenommen wurde.
Alle Linsburger waren damals Selbstversorger, sogar Lehrer, Förster und Bahnbeamte, alle hatten zumindest Ziegen und Schweine, einige aber auch Kühe. Die mit Pferden zu erledigenden Arbeiten auf den gepachteten Äckern und Wiesen ließ man von den Bauern verrichten. Dafür mußte man diesen dann bei der Ernte helfen.
Auch sonst waren die Höfe auf die Hilfe vieler anderer Linsburger angewiesen, beschäftigten diese dann im „Tagelohn". Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts nahm die Zahl dieser „Kleinstlandwirte" immer mehr ab, jetzt betrieben nur noch die landwirtschaftlichen Grundeigentümer ihre Höfe. Doch die guten Verdienstmöglichkeiten in der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft wirkten sich auch auf die Landwirtschaft aus. So fanden immer weniger Höfe einen Nachfolger, der bereit war, sich dem Gebot des „Wachsen oder Weichen" zu stellen und durch hohen Arbeitseinsatz und noch höheren Kapitaleinsatz den Hof weiterzuführen.
Auf den nicht mehr bewirtschafteten Hofstellen standen nun Ställe und Scheunen leer, mußten andere Nutzungen gefunden werden. Oft hat man Wohnungen und Garagen in diese Gebäude eingebaut und ihnen dadurch ein ganz anderes Gesicht gegeben, andere Hofstellen werden heute komplett zur Reitpferdehaltung genutzt, doch für manches Gebäude hat man keine neue Nutzung gefunden und hat es abgerissen oder verfallen lassen.
So wandelt sich langsam das Bild der Hofstellen, aber auch in der Feldmark ist das vielfältige Mosaik der kleinen Schläge und Parzellen verschwunden. Heute bestimmen große, maschinen- gerechte Schläge das Bild, und die Zukunft der Landwirtschaft ist ungewiß. Sie wird nicht mehr so sehr vom Fleiß der Familien und guten oder schlechten Ernten bestimmt, sondern zunehmend von einer immer unkalkulierbareren Agrarpolitik.