Bürgersprechstunde
Haben wir uns auch mit unseren Nachbarn ausgesöhnt, so wird der stetige Zuzug von Ausländern doch teilweise kritisch gesehen oder oft auch abgelehnt. Ins Land geholt haben wir sie anfangs als Arbeitskräfte, zuerst Italiener, Spanier, Portugiesen und Griechen, später überwiegend Türken. Die Ersteren gingen mit dem erarbeiteten Geld nach einigen Jahren wieder nach Hause oder integrierten sich in unsere Gesellschaft. Die Türken kommen aus einem anderen Kulturkreis, aber auch aus einem wirtschaftlich sehr viel ärmeren Land. Sie wollen überwiegend hier in Deutschland bleiben und haben ihre Familien nachgeholt, tun sich mit einer Integration aber oft sehr schwer.
Anfang der 90er Jahre strömten immer mehr Asylanten aus asiatischen und afrikanischen Staaten nach Westeuropa, so auch nach Deutschland. Sicherlich waren politisch Verfolgte darunter, aber viele hatte wohl auch unser großzügiges Sozialsystem angelockt. Die vielen Asylbewerber waren in den Auffanglagern und Sammelunterkünften nicht mehr alle unterzubringen. Nun begann man, sie auf die Gemeinden zu verteilen.
So sollte auch Linsburg einige aufnehmen, aber wo sollte man sie unterbringen, die gemeindeeigenen Wohnungen waren ja vermietet. Zur Debatte stand die Turnhalle oder die Errichtung einer aus Containern bestehenden Wohneinheit für ca. 20 Personen auf einem Grundstück der Gemeinde. Zur Auswahl standen Grundstücke am Bahnhof, am Sportplatz oder am Schießstand. Unmut machte sich breit und es gab auch Proteste von Einwohnern, aber der Gemeinderat hatte keine andere Möglichkeit, als sich für einen der Standorte zu entscheiden, und so wurden die Container schließlich am Bahnhof errichtet. Strom und Wasseranschlüsse mußten installiert werden und für die Abwässer baute man extra eine Sammelgrube, es entstanden also erhebliche Kosten.
Doch schon nach etwa einem halben Jahr war für Linsburg dieses Kapitel erledigt, wurden die Asylanten anderweitig untergebracht und auch in der großen Politik begann man, langsam umzudenken und den Zustrom zu begrenzen. Der wirtschaftliche Niedergang in den kommunistisch geführten Staaten Osteuropas veranlaßte nun verstärkt die dort oft schon seit Jahrhunderten lebenden deutschen Minderheiten, Ausreiseanträge nach Deutschland zu stellen. Aus Russland kamen nun die Nachkommen der von Katharina der Großen ins Land geholten Wolgadeutschen wieder zurück in die Heimat ihrer Vorväter. Ihre Familien hatten unter Stalin viel durchgemacht, waren doch alle Deutschstämmigen auf seinen Befehl hin während des 2. Weltkrieges in den asiatischen Teil der damaligen Sowjetunion deportiert worden, überwiegend nach Kasachstan und Sibirien, und hatten dort Zwangsarbeiten verrichten müssen. In Rumänien hatten jahrhundertelang Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben in friedlicher Koexistenz mit der einheimischen Bevölkerung gelebt und gewirtschaftet.
Doch unter dem kommunistischen System waren die Höfe zwangskollektiviert und die Planwirtschaft eingeführt worden. Der sich daraus entwickelnde gewaltige Unterschied im Lebensstandard zu den Staaten des Westens und auch die mangelnde persönliche Freiheit veranlaßte nun die meisten Deutschstämmigen in Rumänien zur Ausreise, auch wenn sie hier in Deutschland zuerst wieder Fremde waren und sich erst eine neue Existenz aufbauen mußten.
So kamen auch aus diesen beiden Bevölkerungsgruppen Familien nach Linsburg und wagten hier einen Neuanfang. Den hier imOrt heimisch gewordenen Familien erleichterte das Beherrschen der deutschen Sprache sicherlich die Integration, und Fleiß und Sparsamkeit verhalfen ihnen auch bald wieder zu eigenen vier Wänden.